Täglich fast sechs Stunden für bürokratische Tätigkeiten
Oberarzt-Umfrage: Zu wenig Zeit für Patienten und Ausbildung der Assistenzärzte
Köln (30. September 2024). Eine erschreckende Bilanz: Oberärztinnen und Oberärzten in Krankenhäusern stehen nach einer aktuellen Online-Umfrage des Marburger Bundes Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz täglich nur gut zweieinhalb Stunden Zeit für die direkte ärztliche Patientenversorgung zu Verfügung. „Über 2.000 Oberärztinnen und Oberärzte gaben an, dass ihnen täglich durchschnittlich über fünfeinhalb Stunden Arbeitszeit verloren gehen, weil sie stattdessen bürokratische Tätigkeiten erledigen müssen“, erklärte Dr. med. Hans-Albert Gehle, Vorsitzender des Marburger Bundes NRW/RLP.
„Gegenüber unserer Oberarzt-Umfrage im Jahr 2019 haben sich die bürokratischen Aufgaben nochmals deutlich erhöht. Seinerzeit gaben 77 Prozent eine Bürokratiebelastung von bis vier Stunden am Tag an“, erinnert Gehle.
„Den Oberärztinnen und Oberärzten fehlt dadurch nicht nur die nötige Zeit zur Behandlung ihrer Patienten sowie zur eigenen Fortbildung, sondern auch die ausreichende Zeit für die Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten in der Weiterbildung zum Facharzt“, betonte Dr. med. Gehle weiter. „So wird die wertvolle Arbeitskraft hochqualifizierter Oberärztinnen und Oberärzte vergeudet. Wenn die Kolleginnen und Kollegen den ganzen Tag bürokratische Tätigkeiten erfüllen müssen, haben sie schlicht zu wenig Zeit für ihre eigentlichen ärztlichen Aufgaben.“
Zeit fehlt nicht nur dafür: 58 Prozent der Befragten gaben an, selten oder nie ausreichende Zeit für die Ausbildung des ärztlichen Nachwuchses zu haben. Nur zwei Prozent haben sie immer und 37 Prozent meistens. „Es verwundert uns als Ärzteverband und Ärztegewerkschaft daher nicht, dass bereits ein Drittel aller Oberärztinnen und Oberärzte eine Beschäftigung in Teilzeit bevorzugen. 75 Prozent der Oberärztinnen und Oberärzte haben im Rahmen der Arbeitszeit keine ausreichende Zeit für ihre Fortbildung. 43 Prozent geben an, dass ihr Arbeitgeber sie bei der Fortbildung und Weiterbildung nicht finanziell unterstützt. Nur 13 Prozent tuen dies immer.
Ärztemangel ist auch bei Oberärzten deutlich zu verzeichnen. 28 Prozent gaben an, dass Oberarztstellen in ihrer Abteilung nicht besetzt sind. Die durchschnittliche Zahl offener Oberarztstellen liegt bei 1,3. „Wenn offene Stellen nicht besetzt werden, fällt bei den vorhandenen Mitarbeitern naturgemäß mehr Arbeit an. Der Arbeitgeber spart so viel Geld auf dem Rücken seiner Beschäftigten.“
Noch deutlicher ist der Ärztemangel hingegen bei den Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung zu spüren. 49 Prozent der Oberärztinnen und Oberärzte melden offene Stellen. Durchschnittlich sind es 2,3 nicht besetzte Stellen.
Die Abteilungsgrößen haben sich verkleinert, im Schnitt haben sie 48 Betten. Vor fünf Jahren lag die Abteilungsgröße noch bei 78 Betten. Gehle: „Das ist der geplante Weg in die Spezialisierung.“ Zu den erfreulichen Ergebnissen der Umfrage zählt, dass die Zahl der Oberärztinnen auf einen Anteil von aktuell 40 Prozent gestiegen ist.
Innerhalb der tariflichen Wochenarbeitszeit können 57 Prozent der Befragten die erforderlichenTätigkeiten selten oder nie erledigen, drei Prozent immer und 39 Prozent meistens. Die geleistete Arbeitszeit wird nur bei 26 Prozent der Befragten elektronisch automatisiert erfasst. Bei 47 Prozent elektronisch mit händischer Eingabe und bei 26 Prozent noch manuell. „Das ist noch lange nicht so, wie es unsere Tarifverträge vorgeben“, bemängelt Dr. med. Hans-Albert Gehle.
Die MB-Umfrage wurde online vom bis 3. bis zum 11. September 2024 durchgeführt. Insgesamt haben sich 2.143 Oberärztinnen und Oberärzte beteiligt.
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