Damit der Beruf uns nicht krank macht
Arbeitszeitgesetz muss konsequenter umgesetzt werden
Kristina Tepen-Dewey
Dr. med. Philipp Schiller
Von Kristina Tepen-Dewey und Dr. med. Philipp Schiller
Wer nach seinem Studium in einem Krankenhaus den Arztberuf aufnimmt, erlebt mitunter eine ernüchternde Realität: Oft liegt die tatsächliche Arbeitszeit oberhalb der in unseren Tarifverträgen festgeschriebenen Grenzen. Dabei schreibt das Arbeitszeitgesetz wöchentliche Höchstgrenzen von 48 Stunden vor, die nur überschritten werden dürfen, wenn der Einzelne das „Opt-Out“ unterschrieben hat. Aber, das ist immer seltener der Fall. Zu groß ist die Arbeitslast.
Aus unseren Umfragen wissen wir, die tatsächliche Wochenarbeitszeit inklusive Dienste und Überstunden liegt bei mehr als zwei Drittel der Befragten deutlich über 48 Stunden. Junge Ärztinnen und Ärzte tragen die Hauptlast der Bereitschaftsdienste. Mehr als die Hälfte aller Ärztinnen und Ärzte leistet drei und mehr Bereitschaftsdienste pro Monat, mit denen der 24-Stunden-Betrieb der Kliniken sichergestellt wird. Vielfach ist eine Zeiterfassung nicht vorhanden, oftmals werden ärztliche Überstunden nicht bezahlt oder mit Freizeit ausgeglichen.
Die daraus resultierende Überforderung prägt nicht nur unseren Arbeitsalltag, sondern hat Auswirkungen auf die Zeit nach Dienstschluss. 77 Prozent aller Befragten nimmt die Arbeit so stark in Anspruch, dass das Privat- bzw. Familienleben leidet. Schlafstörungen und häufige Müdigkeit sind die Folgen.
Unser Altruismus wird ausgenutzt
Dabei ist Arbeitsschutz ein hart erkämpftes Rechtsgut. Schon im 19. Jahrhundert hat die erste preußische Gewerbeordnung Arbeitgeber verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz der Arbeiter zu ergreifen. Dies gilt umso mehr heute gerade dort, wo Menschen erwarten, dass ihre angeschlagene Gesundheit wiederhergestellt wird – in unseren Krankenhäusern.
Wir Ärztinnen und Ärzte unterstützen täglich unsere Patienten bei der Einhaltung gesundheitsbewussten Verhaltens. Nur bei uns selbst werden geltende Vorschriften nicht mit der gebotenen Sorgfalt beachtet. Unsere Auffassung ist klar: Arbeitsschutz gilt sowohl für uns als angestellte Ärztinnen und Ärzte als auch zur Sicherheit unserer Patienten.
Wir haben großen Wert darauf gelegt, unser Genfer Gelöbnis an dieser Stelle zu modifizieren: „Ich werde auf meine eigene Gesundheit, mein Wohlergehen und meine Fähigkeiten achten, um eine Behandlung auf höchstem Niveau leisten zu können.“
Nachtarbeit und Wochenenddienste – ein zermürbender Prozess
Als Marburger Bund prangern wir die Missstände öffentlich an. Die Probleme der Überarbeitung werden auch in unsere Familien getragen. Nachtarbeit, Wochenenddienste und eine permanente hohe Inanspruchnahme wirken zermürbend. Burnout und Depressionen treten immer öfter auf.
Worin liegen die Missstände begründet? Letztlich ist es einfach nicht gut, wenn an der Gesundheit gespart wird. Auch bei Ausnutzung der letzten Rationalisierungsreserve bleiben unsere Kliniken chronisch unterfinanziert, weil die Länder ihren Investitionspflichten nicht nachkommen.
Das Thema steht auf der Tagesordnung. Wir haben 2019 in der VKA-Tarifrunde einen Durchbruch bei Senkung der Gesamtarbeitslast erreicht. Wir haben viele unserer Forderungen durchgesetzt: Neue Regelungen für freie Wochenenden, Arbeitszeiterfassung, zur Begrenzung der Bereitschaftsdienste und für eine verlässliche Dienstplanung. Doch immer wieder erleben wir, dass Arbeitgeber diese Vereinbarungen nicht beachten.
Wir sind als Berufsverband und Gewerkschaft zugleich gefordert. In beiden Bereichen benötigen wir Ihre Solidarität und Unterstützung! Geben Sie dem Marburger Bund bei der Kammerwahl Ihre Stimme, denn in den Kliniken können wir es als angestellte und beamtete Ärztinnen und Ärzte nur gemeinsam erreichen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern.