Notfallversorgung – patientenzentriert und konsequent gesteuert
Ärztinnen und Ärzte arbeiten in Notaufnahmen über dem Limit
Dr. med. Patricia Kalle Droste
Daniel Fischer
Von Dr. med. Patricia Kalle Droste und Daniel Fischer
Die Sicherstellung der Notfallversorgung zu jeder Zeit ist ein entscheidendes und unverzichtbares Element der Daseinsvorsorge. Grundsätzlich liegt der Versorgungsauftrag für die ambulante Notfallversorgung bei der Kassenärztlichen Vereinigung und die Krankenhäuser stellen die stationäre Notfallversorgung sicher. Als drittes Element der Notfallversorgung kommt der Rettungsdienst (RD) hinzu.
Wir erleben täglich in Notaufnahmen und im Rettungsdienst, dass die KV ihrem Sicherstellungsauftrag rund um die Uhr zunehmend nicht mehr gerecht wird. Die Zentralen Notaufnahmen (ZNA) klagen bereits zu Praxisöffnungszeiten, dass Patienten, die definitiv in den Zuständigkeitsbereich der KV gehören, regelmäßig – und statistisch vorhersagbar – zu Überlastungssituationen der ZNA führen. Ihrem originären Auftrag, kritisch kranke Patienten zu stabilisieren, können Notaufnahmen zunehmend nicht mehr vollumfänglich nachkommen. Es kommt flächendeckend zu Überfüllungen von ZNA und damit zu zunehmenden Problemen für den RD, ihre Patienten zeitnah in geeignete Kliniken zu bringen. Der Rettungsdienst wird zunehmend zu Patienten gerufen, die ebenfalls in den Zuständigkeitsbereich der KV gehören. Zudem werden aufgrund des Ärztemangels die Öffnungszeiten der KV-Notfallpraxen immer weiter reduziert. Das macht sich in Notaufnahmen durch ein noch höheres Patientenaufkommen bemerkbar. Sie fungieren mittlerweile als „letzte Wiese“ im System, da sie jederzeit zur Verfügung stehen muss.
Um die ständige Überlastung der ZNA und des RD zu verhindern, müssen wir weg von der sektorübergreifenden Notfallversorgung hin zur patientenzentrierten Notfallversorgung. Was braucht der Patient? Der Versorgungsbedarf des Patienten muss objektiv festgestellt werden. Hierzu sind validierte Ersteinschätzungsinstrumente einzusetzen, die die Versorgungsebene und den Zeitraum der Versorgung festlegen. Wer versorgt den Patient? Patienten sind verlässlich in die geeignete Versorgungsebene zu steuern. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass er dort auch ankommt und adäquat versorgt wird.
Es ist nicht akzeptabel, wenn Zentrale Notaufnahmen einen Großteil der gesamten Notfallversorgung – insbesondere nachts und am Wochenende – sicherstellen. Jede Patientin und jeder Patient hat Anspruch auf eine qualitativ hochwertige Notfallbehandlung, aber die Anliegen der Patienten müssen rund um die Uhr konsequent gesteuert werden. Ärztinnen und Ärzte müssen so entlastet werden, dass sie sich ihren Kernaufgaben widmen können – in Praxen, in Kliniken und im Rettungsdienst. Ein flächendeckendes System von Portalpraxen an Krankenhäusern in NRW sollte Notfall-Patienten über einen zentralen Empfang und ein strukturiertes Ersteinschätzungssystem nach Schweregrad und Dringlichkeit der nötigen Behandlung zum richtigen Behandlungsort weiterleiten. Entweder in Notfalldienstpraxen niedergelassener Ärztinnen und Ärzte oder in die ZNA des Krankenhauses oder – zu regulären Sprechzeiten – in eine ambulante Arztpraxis. Die weitere Behandlung soll am richtigen Behandlungsort erfolgen. Das ist die richtige Patientensteuerung.
Unsere Ärztinnen und Ärzte erwarten durch eine patientenzentrierte Reform der Notfallversorgung akzeptablere Arbeitsbedingungen und mehr Qualität. Aber eine patientenzentrierte Notfallversorgung braucht eine angemessene apparative und personelle Mindestausstattung. Daran mangelt es schon heute. Unklar ist, wie Portalpraxen rund um die Uhr ärztlich besetzt werden sollen. Das erscheint angesichts des Ärztemangels utopisch.
Die Referentenentwürfe zur Reform der Notfallversorgung aus Berlin zeigen zwar richtige Ansätze, sind aber von einem durchgängigen und praktikablen Gesamtkonzept zur Patientensteuerung noch weit entfernt. Jede Neustrukturierung muss die tatsächlichen Versorgungsverhältnisse und regionale Besonderheiten ausreichend berücksichtigen. Wir müssen bei den laufenden Reformen des Krankenhausplans in NRW und der Berliner Krankenhausreform sehr genau darauf achten, dass die Qualität der stationären Versorgung nicht verschlechtert wird. Keinesfalls darf die Notwendigkeit von Reformen als Argument für Schließungen dringend benötigter Kliniken benutzt werden.
Wir bieten unsere fachliche Kompetenz an. Wir werden unseren Sachverstand in den nächsten fünf Jahren aber nur einbringen können, wenn Sie für die Liste „Marburger Bund– Krankenhaus und mehr“ stimmen. Deshalb ist gerade Ihre Stimme so bedeutsam.