Wo faire Standards des TV-Ärzte noch fehlen

Der Marburger Bund ist weit mehr als „nur“ die Vertretung der ­angestellten Ärztinnen und Ärzte in den Kliniken. Wir beraten auch ­Ärztinnen und Ärzte in Praxen und MVZ

Jana Pannenbäcker

Jana Pannenbäcker

Von Jana Pannenbäcker

Als Berufsverband und Gewerkschaft setzt sich der Marburger Bund auch für die angestellten Kolleginnen und Kollegen im ambulanten Bereich ein. In der ambulanten Medizin vollzieht sich seit einigen Jahren ein beispielloser Wandel. Die Zahl selbstständig Niedergelassener in der ambulanten Versorgung sinkt kontinuierlich, gleichzeitig steigt die Zahl der in Praxen und MVZ angestellten Ärztinnen und Ärzte rapide an. Teilzeitarbeit ist auch dort eine beliebte Option.

Jahr für Jahr steigt die Zahl angestellter Ärztinnen und Ärzte in der Niederlassung um gut zehn Prozent. 2007 waren es bundesweit 5.600 Ärztinnen und Ärzte, im Jahr 2018 bereits 36.000 Kolleginnen und Kollegen, 2019 schon über 44.000. 2022 waren es bundesweit über 55.000. Das ist ein Drittel der ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte in der Bundesrepublik. In mehreren Fachgebieten liegt der Anteil schon über der Hälfte. Tendenz steigend.

Die Attraktivität des Angestelltenstatus nimmt zu, weil die Anstellung in MVZ und Praxen Ärztinnen und Ärzten Vorteile bietet. Diese Entwicklung verändert naturgemäß die Struktur der Mitgliedschaft im Marburger Bund und natürlich auch der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Mittlerweile sind im westfälisch-lippischen Kammergebiet über 5.000 Ärztinnen und Ärzte und somit über 13 Prozent der berufstätigen Kolleginnen und Kollegen ambulant tätig.

Mit dieser Veränderung im ambulanten Sektor erreicht der Anteil angestellter Ärztinnen und Ärzte in der Ärztekammer Westfalen-Lippe fast 78 Prozent aller berufstätigen Kammermitglieder. Das sollte sich bei den Kammerwahlen auch in der Zusammensetzung der Vertreterversammlung zeigen. Bei den im ambulanten Bereich– also Praxen und MVZ – angestellten Kolleginnen und Kollegen handelt es sich um eine sehr heterogene Gruppe: Berufsanfänger, Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung, ebenso welche in der sogenannten „Pflichtweiterbildung“ für Allgemeinmedizin, Ärzte und Ärztinnen mit Teilzeitverträgen im Krankenhaus und vormalig Selbstständige nach dem Verkauf ihrer Praxis.

Natürlich vertritt der Marburger Bund die spezifischen Interessen aller dieser angestellten Kolleginnen und Kollegen! Aber im Gegensatz zum Krankenhaus gibt es im ambulanten Bereich keine Tarifbindung. Jeder Einzelne muss individuell über seine Arbeitsbedingungen verhandeln. Hier ist die Unterstützung des Marburger Bundes für seine Mitglieder bei allen Fragen zu ihrem Arbeitsvertrag notwendig und selbstverständlich.

Der MB bietet einen Muster-Anstellungsvertrag an, der für die Regelungen unzähliger Einzelaspekte in den freien Verhandlungen hilfreich ist. Aber aus der täglichen Praxis der Rechtsberatung ist auch bekannt, dass die Konditionen angestellter Ärztinnen und Ärzte im ambulanten Bereich oft weit unter den arzttariflichen Standards in den Kliniken liegen. Berufspolitisch fordert der Marburger Bund deshalb einen Tarifvertrag für angestellte Ärztinnen und Ärzte in Praxen und MVZ, der mindestens die Bedingungen für Klinikärzte im TV-Ärzte erreicht. Damit setzen wir uns für gleiche Maßstäbe bei Gehältern und Arbeitsbedingungen für Ärztinnen und Ärzte, wie in den Klinken ein.

Weiterbildung im ambulanten Bereich ist oft besonders herausfordernd. Die Finanzierung der Weiterbildung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen ist unzureichend ist. Es mangelt an Mentoring-Programmen, an ausreichender Zeit der Weiterbildungsbefugten und an der Vergütung der Weiterzubildenden. Standardisierte Curricula? Nachweise der Weiterbildung durch Weiterbilder oder gar die Qualifizierung der Weiterbilder– oftmals Fehlanzeige.

Wir kämpfen für eine werteorientierte Medizin

Angestellte Ärztinnen und Ärzte in Praxen und MVZ spüren den Druck der Ökonomisierung und Industrialisierung in der medizinischen Versorgung in spezieller Weise. Wir als Vertreter und Vertreterinnen des Marburger Bundes kämpfen daher für eine werteorientierte Medizin. Das Zentrum ärztlichen Handelns ist und bleibt einzig das Wohl unserer Patienten. Deshalb haben wir uns früh und entschieden gegen ein ungezügeltes Wachstum von Konzernstrukturen renditeorientierter Kapitalgesellschaften als Träger von MVZ ausgesprochen und diese Position in der Ärztekammer zur Mehrheit gebracht.

Wir fordern, dass die Besitzerstrukturen offengelegt werden müssen. Ökonomisierung durch Monopole muss begrenzt werden, ebenso wie Renditeabschöpfung oder Gewinnmaximierung von Kapitalinvestoren. Wir stehen für den Erhalt und die Stärkung der Freiberuflichkeit, den Erhalt der Arbeitnehmerrechte sowie die Stärkung von Forschung und Lehre. Damit wir uns weiterhin für Ihre besonderen Belange in Praxen und MVZ einsetzen können: Geben Sie den Listen „Marburger Bund – Krankenhaus und mehr“ Ihre Stimme bei der Wahl der neuen Delegierten der Kammerversammlung unserer Ärztekammer.